Philipp Gerber, Anfang/Mitte vierzig, ist 1933 mit seinen Eltern und Geschwistern in die USA emigriert. Im Krieg kehrt er als Angehöriger des amerikanischen Militärgeheimdienstes CIC nach Deutschland zurück. Eigentlich hat er eine Karriere als Juradozent in Harvard vor Augen, doch dann wird er Kriminalhauptkommissar beim BKA – und «Adenauers Mann».
Deutschland 1961 – ein Land wie jedes andere? Auch wenn die meisten Trümmer weggeräumt sind: Die Spuren der Kriegszerstörungen sind unübersehbar. Und doch blickt man in Westdeutschland dank «Wirtschaftswunder» und politischer Stabilität recht entspannt in die Zukunft. Man spart auf einen Kleinwagen, geht ins Kino und registriert erfreut, dass das öffentlich-rechtliche Fernsehen den Bürgern ein weiteres Programm spendiert, das ZDF. In der DDR dagegen spitzt sich die Lage zu: Dem «Arbeiter- und Bauernstaat» laufen die Arbeiter und Bauern weg. Monat für Monat erreichen Tausende DDR-Bürger die Auffanglager in West-Berlin, allein im Juli 1961 sind es über 30.000.
Deutschland 1961 – ein Jahr wie jedes andere? Berlin kommt nicht zur Ruhe. 1961 ist das Jahr, in dem Weltgeschichte geschrieben wird. In dem sich der Kalte Krieg zwischen Ost und West dramatisch verschärft und Kriegsgefahr in der Luft liegt. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis das SED-Regime und dessen sowjetische Schutzmacht auf die Massenflucht reagieren wird. In der Nacht vom 12. auf den 13. August 1961 beginnen die Grenztruppen der DDR mit der hermetischen Abriegelung West-Berlins vom Gebiet der DDR. Die Berliner Mauer wird zur Todeszone für viele, die den Glauben an die Segnungen des Sozialismus ostdeutscher Prägung verloren haben und sich auf den lebensgefährlichen Weg Richtung Westen machen.
«Antifaschistischer Schutzwall» ... «Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten.» Mit diesem Satz geht Walter Ulbricht, der Staatsratsvorsitzende der DDR, in die Geschichte ein. Keine zwei Monate später ist sein Versprechen Makulatur, die «Option Mauer» wird von Tag zu Tag konkreter. Bis das ZK der KPdSU um Generalsekretär Nikita Chruschtschow grünes Licht gibt und die «Baubrigaden der sozialistischen Arbeit» mit LKWs voller Baumaterial und Stacheldraht zur Sektorengrenze aufbrechen. Die Mauer zwischen Ost-Berlin und West-Berlin wird Realität. Wie soll man sich an die klaffende Wunde gewöhnen, die das Gesicht der Frontstadt verwüstet? Schlagzeile der BILD-Zeitung: «Der Osten handelt – was tut der Westen? Der Westen tut NICHTS!»
«Mauern und Lügen». Im vierten Band seiner historischen Krimi-Reihe nimmt Ralf Langroth uns mit in die dramatischen Tage im August 1961. Auf dem Frankfurter Flughafen kann BKA-Hauptkommissar Philipp Gerber in letzter Sekunde ein Attentat auf General Hiram C. Anderson, seinen ehemaligen Chef beim US-Militärgeheimdienst, vereiteln. Anderson hat nicht nur private Gründe für seinen Deutschland-Besuch: Er will Philipp vor einem möglichen Doppelagenten und Landesverräter warnen. Währenddessen gerät Gerbers Freundin Eva Herden zwischen die Fronten. Bei einem Treffen erhält die Journalistin Informationen darüber, dass eine Mauer gebaut werden soll – mitten durch Berlin.
Zeitgeschichte & Zeitkolorit. Einige der wichtigsten politischen Akteure jener Jahre tauchen in Langroths historischem Kriminalroman auf. Bundeskanzler Konrad Adenauer, der in seine vierte und letzte Amtszeit geht; Hans Globke, Mitverfasser der Nürnberger Rassengesetze und zwischen 1953 und 1963 Chef des Bundeskanzleramtes; Willy Brandt, regierender Bürgermeister von Berlin; Egon Bahr, Leiter des Presse- und Informationsamtes des Landes Berlin. Sogar Hollywood-Legende Billy Wilder taucht in einer kleinen Nebenrolle auf. Zeitkolorit spiegelt sich aber auch in vielen kleinen Dingen des Alltags: Kaugummis der Marke Wrigley’s Spearmint, das Fläschchen Togal aus der Bahnhofsapotheke, die Overstolz-Zigaretten, Opel Kapitän und «Brezelkäfer» ...
Schillernde Romanfiguren. Majorin Galina Markowa, einst berüchtigte Scharfschützin der Roten Armee, jetzt KGB-Führungsfigur: «schön, gefährlich und eiskalt». Pjotr Nikolajewitsch Semjonow, Generalmajor in der Auslandsaufklärung des KGB; ohne Gerbers Hilfe wird er es als Überläufer mit brisanten Informationen nicht in den Westen schaffen. Reinhard Gehlen, Ex-Wehrmachtsgeneral und Leiter des Bundesnachrichtendienstes, ein skrupelloser Antikommunist, dessen Büro in der Pullacher BND-Zentrale früher das Schlafzimmer von Hitlers Vertrautem Martin Bormann war. Heinz Felfe, ehemaliger Angehöriger des Sicherheitsdienstes des Reichsführers SS und später deutscher Doppelagent ...
Aus dem Nachwort des Autors: «Die Mauer, die Berlin einst teilte, ist heute nur noch eine mehr oder minder ferne Erinnerung und für die nach ihr Geborenen nur noch ein Stück Geschichte. Als ich geboren wurde, stand sie bereits, und in meiner Kindheit und Jugend war sie eine so unverrückbare Realität, dass ich auf ihren Fall nicht hätte wetten mögen. Zum Glück gehört es zu den Unwägbarkeiten des Schicksals, dass es auch Erfreuliches bereithält. Der Fall der Mauer, der Niedergang des SED-Regimes, die Wiedervereinigung Deutschlands – das alles konnte man von den frühen Sechzigern bis zu den späten Achtzigerjahren des zwanzigsten Jahrhunderts zwar erhoffen, aber nicht wirklich erwarten.»